Start / WoMo-Info / Fahrzeug / Der Aufbau

Der Aufbau

Da steht Ihr nun auf der Freizeit-Messe vor zwei Wohnmobilen, die äußerlich fast gleich aussehen, und staunt nicht schlecht. Das eine kostet 50.000 Euro, das andere 70.000 Euro. Gleiches Basis-Fahrzeug, ähnliche Motorisierung, Länge und Gewicht fast identisch, bei der allgemeinen Verarbeitung und der Innenausstattung nur wenige sichtbare Unterschiede – wie kommen nur solche Preisunterschiede zustande? Schnell wird klar, es muss an etwas liegen, das man nicht sofort sieht.

Natürlich spielen unsichtbare Dinge wie Marken-Image, Personal- und Verwaltungskosten, Werbe-Budget, Handelsspanne und vieles mehr eine große Rolle bei der Preisgestaltung eines Wohnmobils. Kann man bei Möbeln, Türklinken, Polstern oder Lattenrosten oft spätestens bei genauem Hinsehen erkennen, welche Qualität man vor sich hat, liegen entscheidende Unterschiede aber manchmal im Verborgenen, wo sie kaum wahrgenommen und häufig sogar gedanklich völlig vernachlässigt werden – z.B. dem Aufbau, also quasi dem „Rohbau“ oberhalb des Basis-Chassis. Diese grundlegende Komponente spielt gerade bei integrierten, teilintegrierten und Alkoven-Modellen eine entscheidende Rolle, bei Kastenwagen und Camping-Bussen ist sie nicht ganz so bedeutsam (siehe auch > Wohnmobil-Typen).

In den Wohnmobil-Anfängen wurden Aufbauten, also Boden, Wände und Dach, immer mit Hilfe eines Holzgerüstes hergestellt. Der Boden aus einer massiven Holzplatte, Wände und Dach aus einer dem Fachwerk nicht unähnlichen Lattenkonstruktion, bei der die Zwischenräume mit einer Isolation, meist Glas-/Steinwolle, später Styropor, ausgefüllt und die Außenseiten mit Blech überzogen wurden, damals gerne mit Hammerschlag-Struktur. Innen dann noch dünne Sperrholzplatten für Dach, Wände, Raumteiler und sonstige Abtrennungen, alle Fugen gut mit Silikon gefüllt, fertig war der Aufbau – ok, ein wenig Farbe war auch noch im Spiel.

Im Laufe der folgenden Jahre stellte sich heraus, dass der in vielen anderen Lebensbereichen so beliebte Werkstoff Holz beim Wohnmobil doch einige erhebliche Nachteile mit sich brachte. „Holz arbeitet“, dieser alte Schreiner-Spruch stimmt tatsächlich, zumal wenn man Holz im Falle eines Camping-Fahrzeugs häufigen Temperaturschwankungen, unterschiedlichsten Feuchtigkeitsumgebungen und im Fahrbetrieb ständigen Verwindungen und kräftigem Durchrütteln aussetzt. Hinzu kommt: Holz ist schwer und nimmt gerne Feuchtigkeit aus der Umgebung auf. Eine kleine undichte Fuge reicht, und das gerade noch stabile Holzgerüst beginnt langsam zu faulen, zu allem Unheil oft auch noch lange Zeit unbemerkt. Wenn man Schimmel, modrigen Geruch oder andere Verrottungsmerkmale wahrnahm, war es fast immer zu spät und eine Reparatur nicht mehr möglich oder völlig unwirtschaftlich. Nicht umsonst wurde die Dauer der „Dichtigkeitsgarantie“ über viele Jahre zu einem der wichtigsten Verkaufsargumente.

Nun, die Zeiten haben sich gewandelt, Holz ist heutzutage nur noch in wenigen Fällen im untersten Preissegment der Wohnmobil-Aufbauten zu finden und ein neuer Werkstoff hat die Vormachtstellung übernommen, das sogenannte GFK, was für glasfaserverstärkten Kunststoff steht. Hinzu kommen moderne Isolierungen wie z.B. Polyurethan (kurz PU, ein Kunststoff, der aufgeschäumt wird) oder XPS (Extrudiertes Polystyrol, auch als Styrofoam oder Styrodur bekannt), die über die gewünschte Dämmungswirkung hinaus auch noch für zusätzliche Stabilität sorgen können. Und auch in der Befestigungstechnik verdrängt der moderne Kleber immer mehr die gute alte Schraube. Mehr zu Fachbegriffen und Abkürzungen findet Ihr übrigens in unserem > Glossar.

Bei vom Hagel verbeulten Blechdächern kann der Besitzer eines GFK-Daches nur müde lächeln (zumal, wenn er noch einen Versicherungsrabatt genießt, siehe > Versicherungen), die moderne „Reise-Sänfte“ hebt sich mit wohltuender Ruhe vom knarzenden und klappernden „Holz-Wohnmobil“ ab, und auf dem Stellplatz im Herbst sitzt man heute bei gemütlicher Wärme in gut isolierten Gefährten ohne zugige Dichtungen und Kältebrücken wie früher. Allerdings: Was dem heutigen Wohnmobil-Nutzer nur recht sein kann, stellt die Hersteller vor immer größer werdende Herausforderungen an Materialeinsatz, Produktionstechnik und Know-How, sprich Fachkräfte.

Eine weiterer „unsichtbarer“ und für die Preisgestaltung nicht unerheblicher Aspekt ist ein sogenannter Doppelboden. Wie der Name schon sagt, wird hier auf die Basis-Bodenplatte eine zweite Wohnraumbodenplatte aufgesetzt. In dem entstehenden Hohlraum, der unterschiedlich hoch sein kann, lässt sich alles Mögliche unterbringen, ob Tanks oder Rohre, Batterien oder Leitungen bis hin zu Stauräumen oder Bodenklappen. Wird der Zwischenraum auch noch mit Warmluft versorgt, sind so leicht frostsichere, wintertaugliche Fahrzeuge mit beheizten Frisch- und Grauwassertanks und einer Quasi-Bodenheizung realisierbar. Doppelbodenfahrzeuge sind technisch immer recht aufwändig und allein schon wegen des dafür notwendigen Flachrahmens (siehe Seite > Basisfahrzeuge) immer teurer als Fahrzeuge mit einem einfachen Boden.

Spätestens jetzt wird langsam klar, woher manche, oberflächlich betrachtet nicht nachvollziehbare  Preisunterschiede kommen. Es versteht sich von selbst, dass sich eine hohe Qualität der verwendeten Materialien, qualifizierte Fachleute, spezielle Aufbauarten und hochpräzise Fertigungstechniken im Endpreis niederschlagen müssen – auch wenn man es nicht auf den ersten Blick sieht. Eine erhöhte Skepsis sollte man also eher bei überraschend billigen Angeboten an den Tag legen, hohe Preise erklären Euch seriöse Hersteller meist mit großem Stolz und in aller Ausführlichkeit.

Bei all den Fortschritten bei der Konstruktion des Aufbaus darf man nun nicht denken, GFK, neue Isolierungen und bessere Verbindungs- oder Befestigungstechniken würden alle Probleme lösen. Nein, auch heute noch können Dichtungen altern und brüchig werden, kann GFK, wenn es keine hochwertige Sorte ist, mit der Zeit vergilben oder matt werden, und selbst anfänglich unverwüstlich erscheinende Verbindungen lösen sich durch dauernde rustikale Beanspruchung vielleicht mit der Zeit doch. Gerade wer viel Geld in einen guten Aufbau, sprich ein teureres Wohnmobil investiert hat, tut gut daran, dieses einer ständigen Kontrolle und guter Pflege zu unterziehen.

Inspektionen und Prüfungen (z.B. auf Dichtigkeit) werden wegen moderner Materialien nicht plötzlich obsolet. Bedenkt immer: Jeder Werkstoff, also auch alles, was sich im Reisemobil-Aufbau befindet, und sei er noch so gut, unterliegt Beanspruchungen und Alterung. Möglichen Problemen begegnet man immer am besten mit ausreichender Pflege und Vorsorge, das ist bei Eurem Mobil nicht anders als bei Eurer Gesundheit. Tut Euch und Eurem motorisierten Reise-Gefährten also den Gefallen: behandelt und pflegt ihn umsichtig und nachhaltig. Lange Freude, sorgen- und pannenfreie Urlaube und ein nicht zuletzt hoher Wiederverkaufspreis werden Euer Lohn sein.

Die bereits genannte Dichtigkeitsprüfung hat zwar in Zeiten holzfreier Aufbauten nicht mehr den enormen Stellenwert vergangener Tage. Dennoch bleibt sie empfehlenswert, denn auch Feuchtigkeit zwischen den meist in Sandwich-Bauweise konstruierten Wänden, Böden oder Decken bietet hervorragende Nistmöglichkeiten für Bakterien und Keime, was nie von Vorteil sein kann, selbst wenn nichts fault oder verrottet. Wer sein Reisemobil mit einer Hersteller-Garantie auf die Dichtheit des Aufbaus erwirbt, hat ohnehin keine Wahl. Um die Garantie aufrecht zu erhalten, schreiben alle Hersteller eine jährlich durchzuführende Prüfung vor, oft sogar ausschließlich bei einer ihrer Vertragswerkstätten. Lasst also die Prüfung im eigenen Interesse und um der gewährten Garantie willen immer ordnungsgemäß durchführen. Und beachtet vor dem Kauf, auch im Hinblick auf den sonstigen Service, wie weit die nächste autorisierte Werkstatt von Eurem Wohnort entfernt ist, denn wer will schon gerne einmal im Jahr z.B. von Düsseldorf nach München fahren – außer zum Skiurlaub natürlich.